Mittwoch, 12. November 2008

Von Prellböcken und tanzenden Rentnern



Mitunter liest und hört man ja Erstaunliches über diverse Verkehrsmittel. Dabei will ich Flugreisen mal ausnehmen, obwohl auch dabei für den Laien dies und das unklar bleibt. Einem Außenstehenden ist ja nicht so ohne weiteres klar, wieso man auf dem Flug von Köln nach München beispielsweise vom Kapitän erfährt, dass man die Reiseflughöhe von 9000 Metern erreicht habe, aber gleich wieder mit dem Sink- und Landeanflug begönne. 9000 Meter! Warum so hoch, fragt sich der Uneingeweihte unwillkürlich. Wäre es nicht viel weniger riskant, wenn man nur in 10 Metern Höhe flöge? Nur für den Fall, dass mit dem Flugzeug irgendetwas nicht stimmt?
Profis beantworten diese Vorbehalte mit dem lässigen Hinweis, dass man auf 9000 Metern Höhe eben genau in diesem Fall viel länger Zeit hätte, um auf den Fehler zu reagieren, was bei 10 Metern kaum möglich wäre. Insgesamt muss man vermutlich mit der Weisheit leben, dass man sich für jeden Flug einen Sitz ganz vorne reservieren sollte, weil man dort sicher ist, dass im Rahmen eines Absturzes der Getränkewagen noch mal vorbei rollt.
Bei Bahn, Bus und Auto stellt sich das Problem der Reisehöhe ja nicht, zumindest nicht im Normalbetrieb. Wer eine Landstraße mit einem Kleinwagen und 120 Stundenkilometern befährt und an der erstbesten Kurve von den Pneus geholt wird, kann sich natürlich auf einer sehr schönen Flugbahn in ein Weizenfeld katapultieren lassen. Aber davon, wie gesagt, soll hier nicht die Rede sein. Normalerweise ist bei Bus, Bahn und Auto die systemimmanente Reisehöhe gleich Null.
Aber auch dann kann es zu schweren Unfällen kommen. Ohnehin ist ja – auf die Personenkilometer berechnet – die Flugreise noch die sicherste Art zu reisen. Aber was nutzt einem die beste Statistik, wenn man an Bord einer Unglücksmaschine sitzt? Bei Busreisen gilt Ähnliches. Vor Kurzem haben das einige Rentner erfahren müssen, deren Reisebus ausbrannte. Leider gab es Tote und und Verletzte. Der Nachrichtensprecher im Radio erklärte dazu noch, dass sich viele dieser Rentner ohnehin nur mit Gehhilfen bewegen konnten und daher recht hilflos waren, als das Unglück über sie hereinbrach. Doch selbst bei einem solch dramatischen Zwischenfall, den man sich mit ausreichender Hollywoodfilmerfahrung quasi bildlich vorstellen kann, irritieren manche Details. Beispielsweise, wenn der Radiosprecher in einem Nebensatz sagt, dass sich die bekrückten Rentner auf der Rückfahrt von einer Tanzveranstaltung (!) befunden hätten.
Nun ja, man kann nicht immer leicht hinter die Kulissen blicken. Auch nicht bei der Sicherheitsplanung der Bahn. Selbst wenn wir die leidigen Bruchachsen der ICE-Züge mal außer Acht lassen, erfährt man hin und wieder Erstaunliches. Da rollt beispielsweise ein Güterzug mit Kohle durchs Land und lässt sich plötzlich nicht mehr bremsen. Die Situation verschärft sich, als die Strecke auch noch abschüssig wird und der Zug beschleunigt. Die Nachrichten melden, dass der Zug erst von einem Fabrikgebäude gestoppt wurde, und zwar an einer der inneren Brandmauern.
Wie geht es den Zugführern?, sorgt man sich umgehend. Nun, es geht ihnen gut. Sie sind vorher abgesprungen – ein Verhalten übrigens, dass man sich in der christlichen Seefahrt überhaupt nicht vorstellen könnte. Warum sind sie abgesprungen? Dies erklärt ein Sicherheitsexperte der Bahn im Interview. Es gebe nämlich zwei rigorose Sicherheitsstufen für solche Züge. Die erste sei das Bremssystem. Wenn dieses ausfiele, haben die Zugführer die Anweisung, Führerstand und Zug umgehend und fluchtartig zu verlassen. Passieren könne eigentlich nichts, denn es gebe ja eine zweite Stufe: Die Notgleise. Dort würden die bremsfreien Züge am Ende durch einen Prellbock gestoppt.
Im geschilderten Fall allerdings griff keine der beiden Sicherheitsstufen. Der Zug überfuhr den Prellbock locker und souverän und bohrte sich wenig später ins nächste Gebäude. Das Undenkbare war passiert: Zwei Sicherheitstufen durchbrochen!
Was die Notfallplaner der Bahn offenbar nicht wussten: So ein voll beladener Güterzug mit Kohle ist ziemlich schwer. Dieser wog rund 180 Tonnen. Und hatte Tempo 70 drauf, ungefähr. 180 Tonnen! Die Vorstellungskraft des menschlichen Geistes will schier versagen ob der Aufgabe, sich die Ausmaße des Prellbocks vorzustellen, der diesen Zug abrupt stoppen könnte. Nicht so die Experten. Da steht im technischen Definitionshandbuch: Prellbock, Vorrichtung zur Notbremsung eines Schienenfahrzeugs. Was will man mehr?
Jetzt müsste man nur noch mal in Erfahrung bringen, ob die Bahn in ihren Zugrestaurants für besonders Hungrige als Hauptgang ein gekochtes Wachtel-Ei serviert. Dann hätte dies alles zumindest ein gewisses System.
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©2008 Julius Moll

Freitag, 13. Juni 2008

Watch Watching


Als sie George W. Bush die Uhr geklaut haben, hat die ganze Welt gelacht. Und ich auch. Dabei dachte George W. Bush, er wäre unter Freunden. Albanien dürfte so ziemlich die letzte Bastion Europas sein, wo Georgie ein Bad in der Menge nehmen kann. Was er bei seinem Staatsbesuch letztes Jahr auch getan hat: Jubel, Händeschütteln, erfreute Gesichter. Und dann war seine Uhr weg.

Sie haben es im Fernsehen gezeigt, aber ich bin sicher, dass seine Uhr nicht viel wert gewesen ist: protestantisch vertrocknet wie der ist, hatte er garantiert nur einen billigen Wecker am Handgelenk. Egal, jetzt trägt seine Uhr ein anderer. Und ich lach immer noch über die Geschichte.

Ja, ja, so sind sie halt, die Albaner: arm, verschlagen, unehrlich. Nicht wahr? Oder etwa nicht?! Jetzt mal ganz ehrlich: Wissen Sie, wie die Albaner so sind? Nicht die Geschichten, die Sie irgendwo von irgendwem mal aufgeschnappt haben und die irgendwie jeder kennt. Und meistens auch die Kosovaren meinen. Ich meine die Albaner. In Albanien. Nicht die im Kosovo.

Grämen Sie sich nicht: kaum einer weiß, wie die Albaner so sind. Weil niemand Albanien kennt. Nicht mal geographisch. Bei einer spontanen kleinen Umfrage fand ich raus, dass die meisten Albanien irgendwo zwischen Afrika und Afghanistan vermuten. Dabei liegt es mitten in Europa. Nur, dass es niemand kennt. Ein blinder Fleck auf der Landkarte.

Ich habe sie kennen gelernt, die Albaner, und muss sagen, sie sind so einfach nicht zu greifen. Weil nicht so leicht auszumachen ist, wofür sie sich eigentlich wirklich interessieren. Denn vieles an ihnen wirkt widersprüchlich. Was vielleicht auch an ihrer Art liegen mag, wie sie mit Ausländern kommunizieren: nämlich gar nicht. Oder nur sehr wenig. Und das liegt nicht an ihrer Unfreundlichkeit, das sind sie nicht, sondern daran, dass sie sehr zurückhaltend sind. Fast schon schüchtern. Ein weiches Volk, das Direktheiten vermeidet.

Im Gegensatz zu uns Deutschen. Nach meiner ersten Lesung in Tirana sprach mich eine Dame an. Sie sagte: „Also, eigentlich war ich ja ziemlich gegen Sie eingestellt!“
Ich antwortete: „Tatsächlich?! Warum?“
„Nun, das lag an Ihrer Vita.“
„Meiner Vita?“
„Die Sie hier veröffentlicht haben.“
Ich überlegte fieberhaft, was sie damit meinte? Was stand denn in meiner Vita? Gesucht wegen falscher Grammatik, Vielweiberei und betrügerischem Viehhandel? Ich war ein wenig ratlos.
„Na, wo Sie schreiben, dass Sie ... wie war das jetzt? Na, wo Sie schreiben, dass Sie ohne Fleiß studiert haben ...“
„Ach, das meinen Sie!“ antworte ich erleichtert. „Da steht, dass ich mit wenig Fleiß und noch weniger Erfolg studiert habe.“
„Genau!“ sagte sie. „Das meine ich.“
„Und deswegen waren Sie gegen mich eingestellt?“
„Ja, ich fand das richtiggehend provozierend. So was kann man doch nicht schreiben!“
Ich zuckte mit den Schultern. „Warum nicht?“
Sie schüttelt den Kopf: „Das kann man nicht machen!“
„Es entspricht aber der Wahrheit.“
Sie ist empört: „Ja, aber es macht Ihnen doch etwas aus!“
„Nein, eigentlich nicht.“
Und noch ein bisschen empörter: „Natürlich macht Ihnen das was aus! Das spürt man doch!“
„Nein. Wirklich nicht.“
Sie glaubt mir nicht, aber sie schwenkt um und lächelt: „Naja, aber Sie haben dann wirklich schön gelesen.“
„Danke.“
„So mit den verstellten Stimmen. Das war wirklich gut.“
„Danke. Es wäre sicher noch besser gewesen, wenn ich mit Jörg gestern Nacht nicht noch dessen Schnapsbestände ausgetrunken hätte.“

Ich gebe zu, das kann man auch diplomatischer formulieren. Ein Albaner hätte es jedenfalls getan. Mal davon abgesehen, dass er diese Diskussion niemals angefangen hätte. Er hätte wohl überhaupt keine Diskussion angefangen, weil er ohne den sanften Druck der Universität oder des Deutschzentrums, dessen Leiter der oben erwähnte Jörg ist, gar nicht gekommen wäre.

Dabei interessieren sich die jungen Leute sehr für das Ausland. Das heißt aber noch lange nicht, dass sie auch zu einem Ausländer kommen, wenn der sie mal besucht. Außer bei George, natürlich. Denn der ist ein Freund. Und da sind sie alle gekommen und haben gejubelt.

Und haben gleich mal seine Uhr geklaut. Ach, ich liebe diese Geschichte.

Tirana, Tirana


Da gibt es ein Haus, mitten in Tirana, grau und wuchtig wie ein Turm, das hat keine Klingel und keinen Posteinwurf. Kein Erdgeschoss und keine Adresse. Kleine Fenster und ein massive Eisentür. Es ist bewohnt, aber die Bewohner verlassen dieses Haus nie. Es ist nicht schön, aber es blieb als einziges stehen, als Bürgermeister Edi Rama vor ein paar Jahren die vielen Buden und Häuschen an der Lana, dem kleinen Bächlein, das durch Tirana fließt, abreißen ließ, um Ordnung zu schaffen. Jeder kennt dieses Haus, aber es hat keinen Namen.

Architektur ist so eine Sache in Tirana. Vieles von den traditionellen Bauten ist nicht mehr da, weil es durch ausgesucht hässliche Hochhäuser ersetzt wurde, die vornehmlich der kommunistische Diktator Enver Hoxhas (gesprochen: Hodscha) bauen ließ und damit maßgeblich zu Tiranas Verschandelung beitrug.

Edi Rama hat in den letzten Jahren dafür gesorgt, dass sich das gebessert hat. Nicht nur, weil er die Favellas an der Lana abreißen ließ – mit Ausnahme des beschrieben Turms – sondern auch, weil er mit einem kleinen Trick große Wirkung erzielte: der ehemalige Künstler Rama ließ die hässlichsten Häuser einfach bunt anmalen.

Ansonsten herrscht so etwas wie Wilder Westen – besser noch: Wilder Südosten – im albanischen Baugewerbe, mit zum Teil skurillen Ergebnissen. Auf der Suche nach Bauland in der begehrten Innenstadt, sind die Bauunternehmen nicht sehr zimperlich. Da wird Bauland gefunden, wo man vorher gar keines vermutet hätte.

Wie zum Beispiel eine Straße. Da ist doch schön viel Platz! Warum also nicht ein Haus draufbauen? Was soll ich sagen: Sie haben es gemacht. Und nicht nur einmal. Ein Hochhaus. Mitten auf einer Durchgangsstrasse. Die jetzt natürlich eine Sackgasse ist. Von beiden Seiten.

Auch Baupläne sind eher so etwas wie vage Absichtserklärungen. Da steht ein Bauamtsleiter schon mal vor einem zehnstöckigen Haus und stiert ungläubig auf den genehmigten Plan, der nur vier Stockwerke ausweist.
Ha, ich kann den Polier geradezu vor mir stehen sehen, wie er sich ein bisschen verlegen am Kopf kratzt und sagt: „Nun, wir waren gerade so gut drauf und hatten auch noch Material über und, äh ...“

Früher war es übrigens üblich, dem Bau ein lebendes Opfer zu bringen. Heute beschränkt man sich auf Teddys. Die werden im Rohbau auf Stahlgitter gespießt und sollen böse Geister abhalten. Wenn Sie mich fragen sieht es eher so aus, als wären die bösen Geister schon da.

Die größte Geschmacksverirrung jedoch steht im Stadtzentrum und geht wieder auf Hoxhas Konto: eine Pyramide. Sie sollte sein Mausoleum werden. Bemisst man den Dachschaden von Diktatoren an ihren baulichen Hinterlassenschaften, so wird hier überdeutlich, mit wem es die Albaner vier Jahrzehnte lang zu tun hatten: einem größenwahnsinnigen Spinner. Paranoid dazu, weil er das kleine Land mit etwa 600.000 Bunkern hat pflastern lassen. An strategisch wichtigen Stellen, versteht sich. Was für Albanien bedeutet: alle paar Meter.

Bleibt noch das graue Haus an der Lana. Das Vendetta-Haus. Denn dort sitzen die zum Tode Verurteilten. Nicht durch den Staat, sondern durch verfeindete Clans. Solange sie in diesem Haus bleiben, dürfen sie weiterleben. Verlassen sie es jedoch ... Lebenslänglich der etwas anderen Art. Das Haus ist Teil von Albaniens Kultur, steht in Tiranas Zentrum vor aller Augen und doch steht es allein da. Isoliert. Wenn man Albaner dazu befragt, zucken sie mit den Schultern: niemand weiß darüber genaues. Und es interessiert sie auch nicht. Dennoch ist es da. Ein zu Stein mutierter Anachronismus.

Ich frage mich, wie es in dem Haus aussieht? Wie viele mögen darin leben? Und wie gehen sie miteinander um, wenn sie dort Tür an Tür wohnen? Vielleicht kommen sie gut miteinander aus. Ein gemeinsames Schicksal schweißt Menschen oft zusammen. Vielleicht werden sie mit den Jahren sogar zu Freunden. Während sich ihre Familiemitglieder draußen weiterhin hassen. Unüberwindbarer Hass.

Und nicht mal Edi Ramas Farbe kann das übertünchen.

Achtung! Küssen.


Zuweilen fragt man sich, aus welchen Gründen die Insassen im Vendetta-Haus ihre Strafe absitzen müssen. Es geht oft um Mord, doch die Gründe, die zu einem führen, sind meist weniger gewichtig und in den Augen eines Westeuropäers ohnehin schwer nachzuvollziehen: Ehrverletzung.

Doch welche Art von Ehrverletzung? Albanien ist ein religiöser Vielvölkerstaat: Muslime, Katholiken, Orthodoxe und eine ganze Reihe von Splittergruppen. Doch in Albanien herrscht gegenüber den Religionen große Toleranz. Jeder kann mit jedem und tut es auch. Die Gläubigen leben friedlich miteinander.

Was hätten wir noch im Angebot bei klassischen Ehrverletzungen? Richtig: Lästerlicher Lebenswandel. Auch schlecht. Albaner gehen grundsätzlich gerne aus. In Tirana herrscht eine Kneipen-, Bar-, und Cafédichte, wie sie vielleicht noch in Köln üblich ist. In jedem Fall aber ihresgleichen sucht. Und obwohl im Land 40 Prozent Arbeitslosigkeit herrscht, investieren die Albaner ihr bisschen Geld für einen Kaffee oder einen Drink an der Bar.

Im krassen Gegensatz zu uns Deutschen, wo Arbeitslosigkeit in aller Regelmäßigkeit zur selbstgewählten Vereinsamung vor dem Fernseher führt. So als ob man ohne Arbeit nicht mehr gesellschaftsfähig wäre. Es wird geraucht und Alkohol getrunken. Gute Gründe, um jemanden einen lästerlichen Lebenswandel anzukreiden. Wird aber nicht gemacht. Denn sonst müssten sie viele, viele Vendetta-Häuser an der Lana bauen.

Gerne genommen: weibliche Unschuld. Vielmehr der Verlust der selbigen. Und sei es auch nur als Schreckenszenario eifersüchtiger Männer. Doch auch hier eher Fehlanzeige. Die albanische Jugend ist sehr attraktiv und zeigt das auch. Die Kleidung vor allem bei Mädchen ist knapp, verdammt knapp möchte ich sagen, hohe Hacken beinahe Pflicht. Die jungen Leute begegnen sich unverkrampft, im gegenseitigen Wohlgefallen.

Aber Konventionen gibt es doch: öffentliche Zärtlichkeiten sieht man nicht. Und es gibt Bars für Verheiratete, in denen es Kuschelräume gibt, wo das Licht schummrig ist und wo man Achtung! küssen kann. Also doch: keusche Unschuld im knappen Top?

Könnte man meinen. Wäre da letzte Woche nicht dieser Unfall gewesen. Es hat den Chef eines privaten Fernsehsenders erwischt. Hat seinen neuen Ferrari spazieren gefahren.

Jetzt ist das sehr bedauerlich, aber noch keine Meldung, die die Albaner hat aufhorchen lassen. Schon eher, dass neben ihm sein Freundin saß. Nackt. Jetzt kennt man das ja mit italienischen Autos: sicher ist die Klimaanlage ausgefallen und in einem engen Auto wie einem Ferrari kann es da schon mal warm werden. Gute Gründe ein bisschen was auszuziehen. Man will ja nicht die teuren Klamotten durchschwitzen.

Kurz darauf müssen dann auch die Bremsen ausgefallen sein. Und so endete die fahrt an einem Baum an der Lana. So sind sie dann gefunden worden, was in Tirana für einen handfesten Skandal gesorgt hat, schließlich war der Mann verheiratet. Aber wenn man den Albanern so in die Gesichter sieht, wenn sie über den Unfall reden, sieht man immer ein Lächeln. Nicht schadenfreudig, eher ein Kichern über eine Nummer, die – ziehen wir das persönliche Drama mal ab – durchaus komisches Potential hat.

Was fährt der Mann auch Ferrari? Selbst die Amerikaner spotten über Fiat, sagen, es wäre die Abkürzung für: Fix it again Toni. Ausgerechnet die Amerikaner. Als ob die Autos bauen könnten.

Weißes Huhn, schwarzes Huhn


Albaner sind eigenwillig. Über 400 Jahre haben die Osmanen das Land besetzt, dennoch blieb nicht viel von ihnen zurück. Und nicht nur, weil Hoxha alles abreißen ließ. Auch in den Köpfen blieb nichts. Sie sind vor allem das, was sie schon immer waren: Albaner.

Sie interessieren sich in erster Linie für sich selbst, sind aber nicht nationalistisch. Sie sind stolz auf ihre Vergangenheit, aber wenn man etwas darüber wissen will, fragt man besser einen Ausländer, denn die Albaner selbst gehen nicht sehr sorgfältig mit ihrer Historie um.

Selbst ihre Sprache klingt eigenwillig. Ich habe versucht mir was einzuprägen, aber viel habe ich nicht geschafft. Eigentlich nur: O Çuni (sprich: dschuni) und heißt so viel wie: He, Junge! Sagt man, wenn man hier einen (jungen) Kellner ruft. Jörg sagt, dass die Albanern mit vergleichsweise wenigen Worten auskommen. Als Ausländer kann ich das nicht beurteilen, aber da gibt es eine Sache, die mich ein bisschen fassungslos gemacht hat.

Jetzt ist Albanien ja ein ausgeprägter Küstenstaat, aber sie haben kein eigenes Wort für Möwe. Seit der offiziellen Reichsgründung vor gut 700 Jahren müsste sich eigentlich die eine oder andere Möwe nach Albanien verirrt haben. Jedenfalls Zeit genug, ihr einen eigenen Namen zu geben. Aber irgendwie haben die Albaner das nicht hingekriegt.

Ich stelle mir vor, wie die ersten Albaner an der Küste saßen und den Möwen beim Segeln zusahen. Und vielleicht hat einer gesagt: „Oh, was für ein hübscher Vogel!“
„Hm.“
„Wir sollten ihm einen Namen geben.“
„Hm.“
Pause.
Sie sehen den Möwen zu und denken über einen Namen nach. Plötzlich sagt einer: „Sieht aus wie ein weißes Huhn.“
„Hm.“
Pause.
Dann dreht sich der Clanchef um und fragt: „Wer ist für weißes Huhn?“

Seitdem heißen sie weiße Hühner. Und ihre Flügel heißen Arme. Ich frage mich gerade, was wäre wenn der amerikanische Romancier Richard Bach ein Albaner gewesen wäre? Wie hätte dann sein berühmtestes Buch geheißen: Das weiße Huhn Jonathan? Amüsanter Gedanke. Ein Huhn, das sich in ehrgeiziger Rekordjagd im Sturzflug ins Meer stürzt ...

Sind sie so, die Albaner? Eher praktisch veranlagt? Um nicht zu sagen: lethargisch? Dafür spräche einiges. Sie produzieren nichts selbst, lassen alles importieren. Auch das ist Grund für die dramatische Arbeitslosigkeit. Es ist, als ob sie sich nicht trauen würden, eigene Produkte zu entwickeln und auf den Markt zu bringen. Oder haben sie vielleicht einfach keine Lust? Sind sie auf dem Weg nach Europa, warten aber auf ein Taxi, dass sie dorthin bringt?

Wie gefällt ihnen dann folgende Geschichte. Eine wahre dazu. Die Albaner waren wohl das einzige Volk, das sich geweigert hat, Juden an Nazideutschland auszuliefern. Sie fanden das schlicht unanständig. Also haben sie es nicht gemacht. Das lässt das larmoyante Gewäsch der Alten, an den Deportationen eigentlich keine Schuld gehabt zu haben, weil die Gefahr für das eigene Leben so groß war, in einem ganz anderen Licht dastehen. War die Gefahr für die Albaner nicht dieselbe wie für alle anderen?

Ein Zufallstreffer? Nein. Vor gut zehn Jahren hat der damalige Staatspräsident Berisha sein Volk mit einem Pyramidenspiel ruiniert. Und damit meine ich: alle ruiniert. Es gab – ganz gegen die sonstige albanische Mentalität – Unruhen, worauf Berisha dem Militär den Befehl gab, auf das Volk zu schießen.

Das Militär jedoch verweigerte den Befehl. Hat man das schon mal gehört? Ein Militär, der einen Schießbefehl verweigert? Militärs verweigern nie Schießbefehle, wohl aber immer die Verantwortung danach. Ein beeindruckendes Volk. Wenn es darauf ankommt, wenn es wirklich wichtig ist, treffen sie die richtigen Entscheidungen. Obwohl ... sie haben Berisha wiedergewählt. Er ist schon wieder Staatspräsident. Nicht zu fassen.

War denn sonst keiner da? Oder verhält es sich wie mit der Möwe? Man müsste etwas Neues erfinden, um die Dinge zu ordnen. Man könnte es natürlich auch beim Alten belassen.

Wenn ja, dann wüsste ich einen Namen für ihren Präsidenten: schwarzes Huhn. Also, nur so ein Gedanke.

O Çuni!


Festnetzanschlüsse sind nicht sehr populär in Albanien. Jeder hat ein Handy. Auch die Ärmsten haben eines. Mindestens eines. Das hat nicht nur damit zu tun, dass sie viel ausgehen, die Albaner, sondern wie so oft vor allem praktische Gründe: keiner hat Lust, in einem Fahrstuhl stecken zu bleiben und dann ist da niemand, der einem hilft, denn Alarmknöpfe gibt es nicht.

Jetzt ist es so, dass Aufzüge in Albanien auch nicht schlechter gebaut werden als in Deutschland. Nur dass sie – wie alle Aufzüge – mit Strom betrieben werden. Und der wird in Albanien Stadtviertelweise abgeschaltet. Meist über Stunden. Jörg vermutet, dass es eine heimlich Liste der abzuschaltenden Stadtviertel gibt, und dass es Viertel gibt, die weniger häufig abgeschaltet werden. Vor allem da, wo Politiker wohnen. Aber grundsätzlich trifft es jeden. Und wenn du dann im Fahrstuhl sitzt, hast du nichts mehr zu lachen.

Das gehört zu den Eigentümlichkeiten dieses Landes, mit denen man leben muss. Eine andere ist der Verkehr. Zwei Sachen fallen auf. Erstens: es gibt eine auffallende Vielzahl von Mercedes Benz. Ich würde schätzen: jedes dritte Auto. Jörg sagt, vor fünf Jahren waren es sogar 90 Prozent aller Autos. Wie passt das nur zu der hohen Arbeitslosigkeit und der Armut, vor allem auf dem Land?

Die neuen, sehr teuren Mercedes lassen sich erklären: entweder Mafia oder reiche Familien. Die vielen anderen auch, wenn man erst mal die albanische Mentalität begriffen hat. Und das heißt: die meisten Mechaniker können nur Mercedes. Und wenn keiner da ist, der einen Ford oder einen Nissan reparieren kann, dann kauft man eben einen Mercedes. Wenn sie so wollen, finden sie das Prinzip Möwe überall.

Zweitens: stehen Autos an einer Kreuzung und wollen abbiegen, biegen grundsätzlich alle auf einmal ab. Man einigt sich dann im Scheitelpunkt der Kurve. Das erspart einem auch Verkehrsregeln. Ulkigerweise passieren dabei so gut wie nie Unfälle, denn jeder achtet auf den anderen und besteht auch nicht darauf, als erstes abzubiegen. Da aber niemand darauf besteht als erstes abzubiegen, fragt man sich, warum sie es dann alle gleichzeitig wollen ... aber, was soll´s, man muss nicht alles verstehen.

An der Uni in Elbasan begegnet mir ein junger Mann, der wie ein freundlicher Partisane aussieht und Gerd heißt. Ein deutscher Name im krassen Widerspruch zur dunklen Haut und dem welligem pechschwarzen Haar. Ich frage Jörg, ob er deutsche Vorfahren hat? Er schüttelt den Kopf und lächelt: „Gerd Müller war hier in den 70ern sehr populär. Die Albaner sind fußballverrückt. Es gibt hier auch ein paar Kinder, die Briegel heißen.“

Oh, Gott: Hans-Peter Briegel. Oder wie wir Fußballfachleute sagen: Die Walz aus der Pfalz. Der war hier Nationaltrainer. Das arme Schwein, dass jetzt seinen Namen tragen muss! Ich hoffe nur, dass es kein Mädchen ist ...

Aber, was sind die Albaner denn nun? Sie sind religiös, aber nicht fundamentalistisch. Sie sind schüchtern, aber selbstbewusst. Sie lieben Amerika, aber beklauen deren Präsidenten. Sie sind modern, aber da steht auch dieses Vendettahaus. Sie sind stolz, aber nicht nationalistisch. Sie haben einen Gauner zum Präsidenten, treffen aber, wenn es wirklich drauf ankommt, die richtigen Entscheidungen. Die Häuser sind verfallen, aber die Toiletten in jeder noch so kleinen Spelunke geradezu penibel sauber und gepflegt.

Ich habe mir ein T-Shirt mit dem Wappen der Albaner gekauft: einen Doppelkopfadler. Ich bin sicher, dass ich dann und wann darauf angesprochen werde, weil man mich für einen Eintracht Frankfurt Fan halten wird. Dann aber werde ich sagen: „O Çuni, das ist nicht Frankfurt. Das ist Albanien!“

Dienstag, 27. Mai 2008

Passen muss es.


„Wenn Frauen nicht sprechen, soll man sie keinesfalls unterbrechen.“ Einen solchen Satz, wie aus Stein gemeißelt, kann wohl nur Clint Eastwood von sich geben und wird dennoch von allen angehimmelt. Vermutlich hat er es ja auch nicht so gemeint. Wir alle wissen, dass es keine 30 Sekunden dauern würde, bis Mann annähme, dass die Gefährtin unter einer heimtückischen Krankheit litte, und fragte: „Liebes, ist dir nicht gut?“ – nur um dann zu hören: „Ich kann heute Abend nicht mit zur Party gehen. Ich habe kein passendes Kleid."

Bevor jemand vor Wiedererkennung schmunzelt oder gar lacht: Das ist ja wirklich keine schöne Sache, vor allem während einer Urlaubsreise, wo man nicht den gesamten Inhalt des Kleiderschranks mit sich führt; einige Stücke müssen ja immer zu Hause bleiben. Entweder hängt einem das Kleidungsstück wie ein Sack vom Leib – figurumschmeichelnd, wie der Fachmann sagt –, oder es sitzt so spack, dass man kaum Luft holen möchte, beziehungsweise kann.

Ist Ihnen auch schon aufgefallen, dass Konfektion, die man schon länger besitzt, nie zu weit ist, sondern immer zu eng? Vermutlich hat das irgendwas mit diesen Kalorien zu tun, von denen man so oft hört. Und die wiederum sind Wärmeeinheiten, so dass wir vermuten dürfen: Die Verengung älterer Kleidungsstücke hat etwas mit Thermodynamik zu tun. Leider geben die Physiklehrbücher über die zu Grunde liegenden Naturgesetze keine befriedigende Auskunft. Nun ja, bis auf Marie Curie war ja auch keine Frau unter denen, die diese Dinge ausgearbeitet haben. Kein Wunder also, dass praktische Ableitungen der thermodynamischen Hauptsätze nicht existieren.

„Außerdem habe ich auch keine passenden Schuhe.“ Nun, bei genauem Hindenken kann das nicht verwundern. Wenn man kein passendes Kleidungsstück hat, gibt es ja nichts, wozu die Schuhe passen könnten. Und selbst wenn man die Farb- und Stilfrage außer Acht lässt, wird das Problem eher größer als kleiner. Wenn nämlich nur Schuhe im Regal stehen, die entweder eine Nummer zu groß oder eine Nummer zu klein sind, dann ist anmutiger Gang kaum möglich. Ich bewundere ja rückhaltlos jede Frau, die es schafft, auf Stilettos gerade zu stehen, ohne sich die Fußgelenke zu brechen – vom Gehen ganz zu schweigen. Und wenn die Dinger dann auch noch zu klein sind … oder gar zu groß?

Nun wollen wir nicht verschweigen, dass es natürlich auch möglich wäre, ohne Schuhe zur Party zu gehen. Aber überlegen Sie mal selbst: Bei dem Zeug, das die Leute, ihre Kinder und ihre Hunde heutzutage so alles auf dem Bürgersteig und in Nah- und Fernverkehrsmitteln abladen, ist das auch keine rechte Freude. Da erreicht man die Party, sieht einigermaßen gut aus (vorausgesetzt, man hat doch noch irgendeinen unscheinbaren Fummel im Gepäck gefunden), und dann sehen die baren Füße aus wie ein umgestülpter Horror-Mülleimer. Beklebt mit Kaugummis, gespickt mit Kanülen, triefend von Bierresten, paniert mit Zigarettenkippen; alles in Allem kein schöner Anblick.

Zusammenfassend kann man also durchaus feststellen, dass passende Sachen sehr hilfreich sind. Was nutzt es, wenn man sich 500.000 Euro für eine Maybach-Limousine zusammenspart, und dann ist die Garage um 2,20 Meter zu kurz?
Nein, nein, Passgenauigkeit ist schon wichtig. Das ist mir kürzlich noch einmal richtig klar geworden, als ich im Sportteil der Tageszeitung las: „Der dreimalige deutsche Meister im Springreiten, René Tebbel (39, Emsbüren), verzichtet auf die Titelverteidigung bei den deutschen Meisterschaften Anfang Juni, da er kein passendes Pferd hat.“

Ein weiser Mensch. Überlegen auch wir mal kurz: Wenn das Pferd zu breit ist, fällt man dauernd herunter, weil man sich mit den Beinen links und rechts nicht festhalten kann. Ist das Pferd zu schmal, hält man den gesamten Umlauf nur unter Pein durch, zumal als Mann. Ist das Pferd zu hoch, kann man nicht aufsteigen. Ist es zu niedrig, erreichen die Füße des Reiters den Boden und er muss selber springen und das Pferd dabei mit über den Oxer hieven. Ist das Pferd zu kurz, steht der Sattel hinten über und von Stabilität kann keine Rede mehr sein; ist das Pferd zu lang, passt es spätestens in der Dreierkombination nur noch quer zwischen die Hindernisse. Dann ist an einen ordnungsgemäßen Sprung überhaupt nicht zu denken.

Nein, nein, Herr Tebbel hat genau richtig entschieden. Das muss man sich nicht antun. Da haben die Damen schon Recht: Passen muss es.

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© Julius Moll

Freitag, 25. April 2008

Kanonenmeteorologen am Jangtsekiang



Während die Welt nach Tibet blickt und dabei die Stirn runzelt, während die Jugend der Welt ihre Körper stählt und gen Peking strebt, um Edelmetall und Ruhm zu ernten, plagen sich die dort ansässigen chinesischen Menschen mit ganz anderen Sorgen. Nein, damit ist nicht die Ausmerzung von Chinglish gemeint, dem bezaubernden Mischmasch aus Chinesisch und Englisch – als Beispiel sei hier ein Klassiker genannt, nämlich die Warnung vor dem glatten Untergrund: "Take care of your slip!"
Nein, nein, nicht nur um derartige Dinge geht es, sondern um wirklich ernste. Zumindest, wenn wir nach Luoyang blicken, einem Ort in der Provinz Henan. Dort leidet man unter der großen Zahl lästiger Fliegen, die noch größer ist als die Zahl der Chinesen. Und das will ja bekanntlich etwas heißen.
In Luoyang hat sich die örtliche Verwaltung entschlossen, das Problem anzupacken, indem sie ein Bürgerkomitee gewähren lässt. Dieses Komitee bietet jedem 5 Yuan, also rund 40 Cents, der zehn tote Fliegen vorweist. Seither ziehen Horden fliegenmordender Einwohner durch den Ort und versuchen, ihr Einkommen aufzubessern. Immerhin: In den ersten zwei Stunden der Kampagne musste das Komitee bereits eine deutliche Summe locker machen, denn mehr als 2000 Fliegenleichen wurden angeliefert, und das macht nach Adam Riese – oder hier besser: nach Liu Hui – mehr als 1000 Yuan. Aus der Ferne betrachtet stellt sich die Gesamtsituation für die Fliegenpopulation rund um Luoyang nicht sehr rosig dar.
Apropos aus der Ferne.
Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen geht, aber ich persönlich hege inzwischen eine kernige Abneigung gegen Kochsendungen im Fernsehen. Nicht etwa, weil ich sie langweilig oder schlecht gemacht fände; nein, sondern weil alle anderen diese organisierte Speisenvernichtung offenbar gut finden, während ich nicht verstehe, warum ich anderen Menschen beim Kochen oder gar beim Essen zusehen sollte.
Nun höre ich hin und wieder, dass man da etwas lernen kann und dass einem das im Leben hilft. Und damit kommen wir wieder nach China. In der Gegend von Cangxian stand eine Hausfrau am Herd, um das Abendessen zuzubereiten – und zwar ohne Fernsehkamera. Dabei wurde sie von einer Kanonenkugel verletzt.
Zurücklesen nutzt übrigens nichts. Da stand eben wirklich: Kanonenkugel. Wie es dazu kommen konnte? Ich meine: das mit dem Kochen unter Beschuss? Nun, sicher ist, dass die Kanonenkugel durch das Dach des kleinen Hauses in die Küche eindrang und die Frau am Bein verletzte. Wenn irgendwo in der Nähe ein Krieg ausgebrochen wäre, hätte man dieses Phänomen sicher schneller durchschaut. Aber Cangxian ist nicht Tibet – keine Schießereien weit und breit.
Verblüffenderweise wurden die Schuldigen recht flott gefunden: Eine Gruppe örtlicher Meteorologen. Ja, richtig: Meteorologen. Hier bei uns macht sich diese Berufsgruppe höchstens dadurch unbeliebt, dass sie so tut, als könne sie das Wetter vorhersagen. In Cangxian allerdings gingen die Wetterfrösche weiter: Sie feuerten aus Kanonen auf Wolken, um diese zu Abregnen zu bewegen.
Zugegeben: Das klingt zunächst ein wenig wirr. Nun haben Forscher allerdings kürzlich herausgefunden, dass entlang viel befahrener Schifffahrtsrouten sehr viel Schwefeldioxid in der Luft ist. Immerhin enthält Schiffstreibstoff 2700 mal so viel Schwefel wie Autobenzin. Dadurch kondensiert das Wasser anders; die Wolken können mehr und länger Wasser halten, aber wenn sie dann abregnen, gehts auf einen Schwung, so als würde man einen riesigen Wassereimer umkippen. Auch solche Wolken werden gerne mal durch die Erzeugung von künstlichen Kristallisationskeimen zum Abregnen gebracht, und zwar dann, wenn gerade keiner in der Nähe ist, der komplett nass werden könnte. Das funktioniert unter anderem auch dadurch, dass man Projektile in die Wolke feuert.
So weit, so gut. Aber was ist dann in China schief gelaufen? Vermutlich hat irgendein junger unerfahrener Ingenieur die Nerven verloren. Weil die Wetterkanone nahe dem Wohngebiet abgefeuert werden sollte, hatte der alte Meteorologenmeister eine Spezialkanone konstruieren lassen: Unten im Rohr gab es eine starke Feder, und wenn man die Kugel genau senkrecht nach oben abfeuerte, konnte sie nach der Aktivierung der Wolke wieder zurück ins Rohr fallen. Sie war damit geeignet zum Abfeuern in belebten Gebieten. Aber der junge Ingenieur, wie gesagt: Kurz vor dem Schuss befielen ihn nagende Zweifel – und ein ganz klein wenig Angst war auch dabei. Als niemand hinsah, tippte er mit dem Zeigefinger kurz an das senkrecht nach oben zeigende Rohr, um es ein wenig zu neigen und dafür zu sorgen, dass die Kugel möglichst weit von ihm entfernt einschlage. Wir kennen das Resultat bereits.
Vielleicht hätten sich die Meteorologen besser in Luoyang gemeldet und mit ihrer Kanone Fliegen totgeschossen. Dann hätten sie auch noch Geld dafür kassiert.

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© Julius Moll

Dienstag, 29. Januar 2008

Schmotzerig, fast schon tätschig



Zuweilen rutschen Informationen nach draußen, die so geheim sind, dass es sie eigentlich gar nicht gibt. Und wie wir aus jedem guten Agententhriller wissen, gibt es jede Menge Menschen, die geradezu alles tun würden, damit eine Sache nicht rauskommt. Menschen, die mit jedem erdenklichen Trick arbeiten: Komplizierte Verschlüsselungen machen jede Nachricht unlesbar, Chiffrierungen, die von wahnsinnig gewordenen Ex-Nobelpreisträgern für Mathematik ausgedacht wurden, Computer, so groß wie Öltanker, die ausschließlich Sackgassen und Desinformation produzieren, und dabei nur von Computern, so groß wie zwei Öltanker, kontrolliert werden können.

Ein tödliches Labyrinth der Verschwörung, ein blutige Pyramide der Lügen, eine vielstimmige Hölle der Verwirrung. Nur um von der Wahrheit abzulenken ... wie schön, dass dann doch alles rauskommt, nur weil einer einen Computer nicht bedienen kann.

Da stand doch letztens in einer Zeitung die komplette Abschrift eines megageheimen Abhörbandes der NASA, das beweist, wie knapp unser schöner Planet der totalen Vernichtung entgangen ist. Denn auch Außerirdische reisen zuweilen herum und behandeln fremde Planeten so, wie Babys ihre Windeln behandeln. Und weil echte Dartpilots einen aufklärerischen Auftrag haben, soll diese Abschrift den geneigten Leser aufrütteln: Wir sind nicht die einzigen, die sich im Ausland schlecht benehmen.

NASA-Offizier: „General Washington, Sir, ich bekomme gerade ein Signal rein, Sir!“
NASA-General: „Was ist es?“
NASA-Offizier: „Sir, ich habe keine Ahnung, Sir. Ich glaube, es sind Stimmen ...“
NASA-General: „Stimmen?! Wie ist das möglich?“
NASA-Offizier: „Sir, ich weiß nicht, Sir.“
NASA-General: „Spielen Sie es auf die Lautsprecher. Sofort!“
(Starkes Rauschen ist zu hören, dann werden die Stimmen deutlich)
Außerirdischer 1: „Sind die Schumbel getrimmt?“
Außerirdischer 2: „Ja, Herr.“
Außerirdischer 1: „Kartossen geflippert?"
Außerirdischer 2: „ Ja, Herr.“
Außerirdischer 1: „Zeit bis zur totalen Verplötterung?"
Außerirdischer 2: „Eine Minute, Herr.“
Außerirdischer 1: „Wo bleibt mein heißer Schubulla?"
Außerirdischer 2: „Der Viertelmaat ist schon in die Kantine gezöttelt.“
Außerirdischer 1: „Er soll schneller zötteln. Ohne heißen Schubulla kann man eine totale Verplötterung nicht genießen.“
Außerirdischer 2: „Hier kommt der heiße Schubulla. Heute besonders schmotzerig."
Außerirdischer 1: „Aaaah, schön schmotzerig, fast schon tätschig."
(Man hört lautes Schlürfen)
Außerirdischer 1: „Achtung: Flitscherkaschemme aufprözzeln. Ziel eintösseln. Feuern in drei, zwei ..."
Außerirdischer 2: „Herr? Die Flitscherkaschemme ..."
Außerirdischer 1: „Was ist mit der Flitscherkaschemme?"
Außerirdischer 2: „Nicht dabei, Herr."
Außerirdischer 1: „Keine Flitscherkaschemme?! Und wie sollen wir verplöttern ohne Flitscherkaschemme?"
Außerirdischer 2: „Wir könnten zurückplottern und die Flitscherkaschemme über Schwolldex hochquasten?"
(Ein lautes Krachen ist hören)
Außerirdischer 1: „Was war das?"
Außerirdischer 2: „Erdsatellit. Er hat unseren Pömbel geschranzt."
Außerirdischer 1: „Bravo. Hatten wir nicht die Schumbel getrimmt?"
Außerirdischer 2: „Schon. Aber mit getrimmten Schumbel können wir die Flitscherkaschemme nicht tösseln."
(Wieder ein lautes Krachen)
Außerirdischer 1: „Was zum Klamuffel...?!“
Außerirdischer 2: „Noch ein Erdsatellit. Der Pömbel ...“
Außerirdischer 1: „Was?“
Außerirdischer 2: „Weg.“
Außerirdischer 1: „SCHUMBEL TRIMMEN, SOFORT!“
Außerirdischer 2: „Und die totale Verplötterung?“
Außerirdischer 1: „WIR HABEN KEINE FLITSCHERKASCHEMME, DU ROTZWACKEL!
Außerirdischer 2: „Jawohl, Herr. Schumbel getrimmt ... Herr?“
Außerirdischer 1: „Was?!"
Außerirdischer 2: „Was ist mit dem Pömbel?“
Außerirdischer 1: „Was ist, wenn ich dir den Pömbel in Podex jödel?!
Außerirdischer 2: „Lieber nicht, Herr.“
Außerirdischer 1: „Kurs: Alpha Centauri.“
Außerirdischer 2: „Ja, Herr."
Außerirdischer 1: „Haben wir Knackdutt geprözzelt?“
Außerirdischer 2: „Ja, Herr.“
Außerirdischer 1: „Wenigstens etwas. Dann schrötern wir eben Alpha Centauri."
(Wieder starkes Rauschen, dann bricht der Funkkontakt ab.)
NASA-General: „Guter Gott!“
NASA-Offizier: „Sir, wir kriegen gerade eine Beschwerde von den Russen rein: Die vermissen einen Spionagesatelliten.“
NASA-General: „Schieben Sie es auf die Chinesen.“
NASA-Offizier:„Den Chinesen fehlt auch einer.“
NASA-General: „Na, bitte. Die mit ihrem Billigscheiß. Informieren Sie die CIA. Die sollen ihre Lügencomputer anschmeißen."
NASA-Offizier: „Ja, Sir.“
NASA-General: „Und noch etwas, Soldat!“
NASA-Offizier: „Sir?"
NASA-General: „Das hier ist nie passiert!“
NASA-Offizier: „Ja, Sir.“
NASA-General: „Mailen Sie mir die Datei und löschen Sie den Rest."
NASA-Offizier: „Ja, Sir."
NASA-General: „Sie haben meine Mail?"
NASA-Offizier: „Post@washington.com“
NASA-General: „Gut. Nicht mit der Zeitung verwechseln.
NASA-Offizier: „Nein, Sir, ich bin doch kein Idiot, Sir!“
NASA-General: „Amerika ist stolz auf Sie, mein Sohn.“
NASA-Offizier: „Danke, Sir."