Freitag, 13. Juni 2008

Weißes Huhn, schwarzes Huhn


Albaner sind eigenwillig. Über 400 Jahre haben die Osmanen das Land besetzt, dennoch blieb nicht viel von ihnen zurück. Und nicht nur, weil Hoxha alles abreißen ließ. Auch in den Köpfen blieb nichts. Sie sind vor allem das, was sie schon immer waren: Albaner.

Sie interessieren sich in erster Linie für sich selbst, sind aber nicht nationalistisch. Sie sind stolz auf ihre Vergangenheit, aber wenn man etwas darüber wissen will, fragt man besser einen Ausländer, denn die Albaner selbst gehen nicht sehr sorgfältig mit ihrer Historie um.

Selbst ihre Sprache klingt eigenwillig. Ich habe versucht mir was einzuprägen, aber viel habe ich nicht geschafft. Eigentlich nur: O Çuni (sprich: dschuni) und heißt so viel wie: He, Junge! Sagt man, wenn man hier einen (jungen) Kellner ruft. Jörg sagt, dass die Albanern mit vergleichsweise wenigen Worten auskommen. Als Ausländer kann ich das nicht beurteilen, aber da gibt es eine Sache, die mich ein bisschen fassungslos gemacht hat.

Jetzt ist Albanien ja ein ausgeprägter Küstenstaat, aber sie haben kein eigenes Wort für Möwe. Seit der offiziellen Reichsgründung vor gut 700 Jahren müsste sich eigentlich die eine oder andere Möwe nach Albanien verirrt haben. Jedenfalls Zeit genug, ihr einen eigenen Namen zu geben. Aber irgendwie haben die Albaner das nicht hingekriegt.

Ich stelle mir vor, wie die ersten Albaner an der Küste saßen und den Möwen beim Segeln zusahen. Und vielleicht hat einer gesagt: „Oh, was für ein hübscher Vogel!“
„Hm.“
„Wir sollten ihm einen Namen geben.“
„Hm.“
Pause.
Sie sehen den Möwen zu und denken über einen Namen nach. Plötzlich sagt einer: „Sieht aus wie ein weißes Huhn.“
„Hm.“
Pause.
Dann dreht sich der Clanchef um und fragt: „Wer ist für weißes Huhn?“

Seitdem heißen sie weiße Hühner. Und ihre Flügel heißen Arme. Ich frage mich gerade, was wäre wenn der amerikanische Romancier Richard Bach ein Albaner gewesen wäre? Wie hätte dann sein berühmtestes Buch geheißen: Das weiße Huhn Jonathan? Amüsanter Gedanke. Ein Huhn, das sich in ehrgeiziger Rekordjagd im Sturzflug ins Meer stürzt ...

Sind sie so, die Albaner? Eher praktisch veranlagt? Um nicht zu sagen: lethargisch? Dafür spräche einiges. Sie produzieren nichts selbst, lassen alles importieren. Auch das ist Grund für die dramatische Arbeitslosigkeit. Es ist, als ob sie sich nicht trauen würden, eigene Produkte zu entwickeln und auf den Markt zu bringen. Oder haben sie vielleicht einfach keine Lust? Sind sie auf dem Weg nach Europa, warten aber auf ein Taxi, dass sie dorthin bringt?

Wie gefällt ihnen dann folgende Geschichte. Eine wahre dazu. Die Albaner waren wohl das einzige Volk, das sich geweigert hat, Juden an Nazideutschland auszuliefern. Sie fanden das schlicht unanständig. Also haben sie es nicht gemacht. Das lässt das larmoyante Gewäsch der Alten, an den Deportationen eigentlich keine Schuld gehabt zu haben, weil die Gefahr für das eigene Leben so groß war, in einem ganz anderen Licht dastehen. War die Gefahr für die Albaner nicht dieselbe wie für alle anderen?

Ein Zufallstreffer? Nein. Vor gut zehn Jahren hat der damalige Staatspräsident Berisha sein Volk mit einem Pyramidenspiel ruiniert. Und damit meine ich: alle ruiniert. Es gab – ganz gegen die sonstige albanische Mentalität – Unruhen, worauf Berisha dem Militär den Befehl gab, auf das Volk zu schießen.

Das Militär jedoch verweigerte den Befehl. Hat man das schon mal gehört? Ein Militär, der einen Schießbefehl verweigert? Militärs verweigern nie Schießbefehle, wohl aber immer die Verantwortung danach. Ein beeindruckendes Volk. Wenn es darauf ankommt, wenn es wirklich wichtig ist, treffen sie die richtigen Entscheidungen. Obwohl ... sie haben Berisha wiedergewählt. Er ist schon wieder Staatspräsident. Nicht zu fassen.

War denn sonst keiner da? Oder verhält es sich wie mit der Möwe? Man müsste etwas Neues erfinden, um die Dinge zu ordnen. Man könnte es natürlich auch beim Alten belassen.

Wenn ja, dann wüsste ich einen Namen für ihren Präsidenten: schwarzes Huhn. Also, nur so ein Gedanke.

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