Dienstag, 20. März 2007

Kokosstrand ist abgebrannt.



Cocoa Beach Club, 5200 Ocean Drive Boulevard, Cocoa Beach, Florida. Es gibt solche Adressen, bei deren Anblick man sofort weiß, worum es geht. Und wo man sofort weiß: Da muss ich ferien!
Leider ist das reservierte Apartment bei der Ankunft noch nicht frei. Über ein Weltmeer und mehrere Zeitzonen hinweg kann man schon mal um einen Tag aneinander vorbei reden. Macht aber nichts, schließlich gibt es in Amerika Motels. Das nächste freie Zimmer liegt quasi in unmittelbarer Nähe, das heißt, mit dem Auto keine halbe Stunde entfernt und verkehrsgünstig gelegen wie vieles in Florida, nämlich gleich an der Hauptstraße.
Cocoa Beach ist ein typisches Straßendorf, wie man sie beispielsweise auch in Schleswig-Holstein findet, nur eben ein bisschen anders. Das Wetter ist vergleichsweise begeisternd, Reetdächer sucht man vergeblich, und niemand wird ernsthaft bestreiten wollen, dass es in Schleswig-Holstein weniger Palmen gibt als in Florida.
Die Hauptstraße, wie gesagt. Das freie Zimmer liegt ihr zugewandt. Klar, dass zunächst die in Richtung Meer weggehen. Außerdem ist der Kühlschrank leer. Den muss man selber füllen. Solche Anfängerfehler machen amerikanische Hotelmanager nicht. Nun, es ist kein wirkliches Problem. Vom Fenster aus sehe ich auf der anderen Straßenseite einen Drugstore. Das ist so ein Laden, wo man Pillen kriegt, aber auch Alkoholika. Irgendwie sind die Amis da schon wieder einen Schritt voraus.
Also, Schuhe wieder an und hinaus in die freie Welt. Knapp hundert Meter – das geht man gewöhnlich zu Fuß. Verblüffenderweise bin ich der einzige Fußgänger weit und breit, aber nun ja: Die Temperatur liegt bei 35 Grad und die Luftfeuchtigkeit jenseits der 100 Prozent.
Im Drugstore allerdings liegt die Temperatur nur knapp über dem Gefrierpunkt. Das Bier steht zusätzlich im Kühlschrank und ist daher doppelt kalt. Mit dem Sixpack, verpackt in eine braune Alkoholikertüte, und einer unangenehm kühlen Großfamilientüte Chips mache ich mich auf den kurzen Rückweg. Da es auf der Hauptstraße einen schmalen begrünten Mittelstreifen gibt, nehme ich den direkten Weg. Als ich vier Fahrspuren hinter mich gebracht habe und auf dem Mittelstreifen kurz den Überblick zu gewinnen suche, bricht das Inferno über mich, die Chips und das Bier herein. Ein roter Mustang rast an mir vorbei, und aus dem geöffneten Beifahrerfenster feuert jemand auf die Verfolger: Acht Streifenwagen, die sehr ordentlich je eine Spur benutzen, vier davon allerdings in der Gegenrichtung. Als Streifenwagen Nr. 3 mit splitternder Windschutzscheibe ausschert und mit vollem Karacho in mein Motelzimmer fährt, kommt mir der vage Gedanke, dass es sich nicht um eine Filmszene handelt. Diese Vermutung wird durch die Abwesenheit jeglicher Kamerateams erhärtet.
Inzwischen brennt das Motel lichterloh. Ich setze mich auf dem Mittelstreifen nieder und entnehme der braunen Tüte eine der sechs Bierflaschen. Zehn Sekunden später ist sie leer, und ich entnehme die zweite. „Offenes Trinken von Alkohol ist verboten, Sir,“ sagt eine raue Stimme. Neben mir steht ein Polizist und sieht mich streng an. „Bitte packen Sie die Flasche wieder ein und zeigen mir Ihren Ausweis. Wo wohnen Sie?“
Nun hätte ich gewarnt sein können, nein: müssen. Schließlich war ich schon ein paar Mal in Amerika und habe zudem genug darüber gelesen. Aber können Sie es mir wirklich verdenken? Hätten Sie wirklich etwas anderes erwidert als „Mein Zimmer ist gerade abgebrannt, Officer“?
Wie auch immer, die Nacht in der Polizeistation war mies, denn keiner kümmerte sich um mich. Sie waren alle mit der Verfolgungsjagd und dem Motelbrand beschäftigt. Irgendwann im Morgengrauen durfte ich wieder gehen. Ich solle das nächste Mal nicht wieder auf der Hauptstraße herumstreunen. Sehr witzig!
Als ich, vom Feuer meiner gesamten Habe beraubt, im Cocoa Beach Club ankam, um mein reserviertes Apartment verspätet in Besitz zu nehmen, war der Portier gerade beschäftigt, einen anderen Gast zu betreuen. Der hatte am Morgen im nahen Golfclub gespielt. Am dritten Loch lag einen Meter von der Fahne entfernt ein Alligator, vermutlich geflohen vor dem Motelbrand. Das Spiel war wegen Unwohlseins des Golfers abgebrochen worden. Lang lebe der Kokosstrand!
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©2007 Julius Moll

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

aha. was schreibt man da so als kommentar? kurzweiliges Lesevergnügen gefällt mir!

Anonym hat gesagt…

Nun habe ich alle Posts von ihnen durch! Muss karin beipflichten, hat mir auch sehr gefallen, ein kurzweiliges, aber doch fesselndes Leseerlebnis! Mehr würde mich sehr interessieren, auch um die Posts oder den Inhalt des wohl bald zu veröffentlichen Buches über die Dartpilots und ihre Reise entlang der geworfenen Pfeile!