Freitag, 13. Juni 2008

Achtung! Küssen.


Zuweilen fragt man sich, aus welchen Gründen die Insassen im Vendetta-Haus ihre Strafe absitzen müssen. Es geht oft um Mord, doch die Gründe, die zu einem führen, sind meist weniger gewichtig und in den Augen eines Westeuropäers ohnehin schwer nachzuvollziehen: Ehrverletzung.

Doch welche Art von Ehrverletzung? Albanien ist ein religiöser Vielvölkerstaat: Muslime, Katholiken, Orthodoxe und eine ganze Reihe von Splittergruppen. Doch in Albanien herrscht gegenüber den Religionen große Toleranz. Jeder kann mit jedem und tut es auch. Die Gläubigen leben friedlich miteinander.

Was hätten wir noch im Angebot bei klassischen Ehrverletzungen? Richtig: Lästerlicher Lebenswandel. Auch schlecht. Albaner gehen grundsätzlich gerne aus. In Tirana herrscht eine Kneipen-, Bar-, und Cafédichte, wie sie vielleicht noch in Köln üblich ist. In jedem Fall aber ihresgleichen sucht. Und obwohl im Land 40 Prozent Arbeitslosigkeit herrscht, investieren die Albaner ihr bisschen Geld für einen Kaffee oder einen Drink an der Bar.

Im krassen Gegensatz zu uns Deutschen, wo Arbeitslosigkeit in aller Regelmäßigkeit zur selbstgewählten Vereinsamung vor dem Fernseher führt. So als ob man ohne Arbeit nicht mehr gesellschaftsfähig wäre. Es wird geraucht und Alkohol getrunken. Gute Gründe, um jemanden einen lästerlichen Lebenswandel anzukreiden. Wird aber nicht gemacht. Denn sonst müssten sie viele, viele Vendetta-Häuser an der Lana bauen.

Gerne genommen: weibliche Unschuld. Vielmehr der Verlust der selbigen. Und sei es auch nur als Schreckenszenario eifersüchtiger Männer. Doch auch hier eher Fehlanzeige. Die albanische Jugend ist sehr attraktiv und zeigt das auch. Die Kleidung vor allem bei Mädchen ist knapp, verdammt knapp möchte ich sagen, hohe Hacken beinahe Pflicht. Die jungen Leute begegnen sich unverkrampft, im gegenseitigen Wohlgefallen.

Aber Konventionen gibt es doch: öffentliche Zärtlichkeiten sieht man nicht. Und es gibt Bars für Verheiratete, in denen es Kuschelräume gibt, wo das Licht schummrig ist und wo man Achtung! küssen kann. Also doch: keusche Unschuld im knappen Top?

Könnte man meinen. Wäre da letzte Woche nicht dieser Unfall gewesen. Es hat den Chef eines privaten Fernsehsenders erwischt. Hat seinen neuen Ferrari spazieren gefahren.

Jetzt ist das sehr bedauerlich, aber noch keine Meldung, die die Albaner hat aufhorchen lassen. Schon eher, dass neben ihm sein Freundin saß. Nackt. Jetzt kennt man das ja mit italienischen Autos: sicher ist die Klimaanlage ausgefallen und in einem engen Auto wie einem Ferrari kann es da schon mal warm werden. Gute Gründe ein bisschen was auszuziehen. Man will ja nicht die teuren Klamotten durchschwitzen.

Kurz darauf müssen dann auch die Bremsen ausgefallen sein. Und so endete die fahrt an einem Baum an der Lana. So sind sie dann gefunden worden, was in Tirana für einen handfesten Skandal gesorgt hat, schließlich war der Mann verheiratet. Aber wenn man den Albanern so in die Gesichter sieht, wenn sie über den Unfall reden, sieht man immer ein Lächeln. Nicht schadenfreudig, eher ein Kichern über eine Nummer, die – ziehen wir das persönliche Drama mal ab – durchaus komisches Potential hat.

Was fährt der Mann auch Ferrari? Selbst die Amerikaner spotten über Fiat, sagen, es wäre die Abkürzung für: Fix it again Toni. Ausgerechnet die Amerikaner. Als ob die Autos bauen könnten.

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