Freitag, 3. August 2007

Jetstream


Letztens hatte ich Geburtstag. Jetzt bin ich nicht so ein Typ, der gerne Geburtstag feiert, weil ich die vielen Überraschungen fürchte, die sich die lieben Freunde für einen ausgedacht haben. Doch diesmal hatte ich Glück. Statt Freude über Geschenke zu heucheln, die in diametraler Verkennung meines Charakters erworben wurden, bekam ich eine Ballonfahrt.

Gut, ich habe Höhenangst und neige zur Klaustrophobie, aber solche Ballonfahrten sollen ja sehr sicher sein. So sicher nun auch wieder nicht, sagt mein Freund Willi. Aber runter kommt man immer. Manchmal verteilt auf einer Fläche von mehreren Quadratkilometern. Wili sagt, wenn das passiert, solle man versuchen, im Sturzflug einen Baum anzusteuern. Da hätte man die besten Chancen. Ich frage mich nur: die besten Chancen auf was? Einen Baum von der Krone bis zur Wurzel zu spalten? Eine neue Körpergröße von 1,30 Meter? Windeln auf der Komastation? Ich gebe zu, ich bin zuweilen pessimistisch. Und wir sind auch nicht abgestürzt. Es war alles noch viel schlimmer. Aber ich will nicht vorgreifen.

Wir bestiegen den Ballon an einem herrlichen Sommertag, mit majestätisch blauem Himmel und einem prächtig gewölbten, riesigen Ballon, der prall gefüllt nur noch von einem Anker am Flug gehindert wurde. Meine Frau begleitete mich und redete mir gut zu, als wir mit dreizehn Leuten in den Korb stiegen. Elf Passagiere, ein Kapitän und ein renitenter Rentner, der von seiner Familie in den Ballon bugsiert wurde. Auch ein Geburtstagsgeschenk.

Schon fauchte der Gashahn, der Ballon stieg auf. Wir schwebten davon, kletterten höher und höher und erreichten bald Reiseflughöhe. Es war ein herrlicher Anblick. Es war mild, ruhig, friedlich. Die wunderbare Landschaft unter uns, der Himmel über uns. Alles hätte so schön können ... bis Opa sich meldete. Er sagte nur einen Satz. Und der schlug ein wie eine Kartjusha-Rakete in einen gigantischen Pudding. Er sagte: „Verdammt noch mal, wo ist eigentlich mein Imodium akut?“

Sonst nichts. Und es war, als hätte jemand gegen einen Plattenspieler getreten, der bis dahin nichts als zärtlichen Mozart gespielt hatte. Ich blickte nach unten: 500 Meter. Mindestens. Genau über einer Ortschaft. Und wie der Teufel es wollte, rührte sich kein Lüftchen mehr.

Dann – in die Stille – ein lautes, feuchtwarmes Sprotzen, so laut, als hätte der Ballonfahrer den Brenner betätigt. Hatte er aber nicht. Um Opa bildete sich eine Wolke des Todes und sie griff rasch um sich. Wollen Sie wissen, wie viele Personen auf etwa einem halben Quadratmeter stehen können? Ich sag’s ihnen: es sind genau zwölf. Rasch geriet der ganze Ballon in gefährliche Schieflage. Der Kapitän befahl, sich wieder im Geviert zu verteilen – seinen Platz in der Mitte hatte er allerdings als erstes aufgegeben.

„Runter!“ schrie ich. „Sofort landen!“ Das jedoch ging nicht. Wir schwebten über bebautem Gebiet.
„Dann steigen! Los! Da oben muss es irgendwo Jetstreams geben. Die sind 500 Kilometer schnell!“
„Bis wir die erreicht haben, sind wir alle tot“, sagte der Kapitän.
„Gut, dann schmeiß ich Opa über Bord.“

Sehen Sie, ich hatte nicht vor, Opa über Bord zu werfen, aber der Alte reagierte sofort: Ein explosionsartiges Donnern in seiner Hose ließ uns wissen, dass er Angriffen gegenüber sehr wohl gewappnet war. Seine Augen funkelten mich böse an, so als ob er sagen würde: Versuch’s nur, Freundchen. Da wo das herkommt, gibt’s noch viel mehr.

Da standen wir nun still in der Luft, dieser prächtige Ballon in einsamer Stille eines ihn umgebenden Blaus, und rührten uns keinen Millimeter. Zwölf Mann auf der einen Seite – einer auf der anderen. Der pestilenzartige Gestank hatte den Korb nun vollständig eingekapselt und die Passagiere wie Kätzchen, die man am Genick hochhob, paralysiert. Nur einer hatte seine sichtliche Freude an dem Drama: Opa. Ein diabolisches Lächeln umspielte seinen Mund, und er pfiff fröhlich einen Marsch, weil er wusste, dass er für gewalttätige Übergriffe unerreichbar war. Dann und wann – aus purer Bosheit – ging er in Stellung, nur um sich gleich darauf wieder zu entspannen.

„Gott“, wisperte meine Frau, „Was hat der nur gegessen?“
„Keine Ahnung, aber eins ist sicher: Es war schon sehr, sehr lange tot, bevor er es sich reingeschoben hat.“
„Jetzt tu doch was!“
Ich blickte über den Korb. „Da unten steht ne Tanne. Willi hat gesagt, da hätte man gute Chancen.“
„Willi hat auch gesagt, die Rolling Stones wären die amerikanische Antwort auf die Beatles.“
„Dann bleiben wir eben hier und sterben in Würde.“

Wie lange wir vegetierten weiß ich nicht mehr – ich glaube, ich habe zwischendurch mal das Bewusstsein verloren. Aber irgendwann landeten wir dann doch. Zwölf stürzten förmlich aus dem Ballon heraus, während einer triumphierend aus dem Korb stolzierte. Wir hätten ihn gerne erschlagen, aber niemand wusste, ob er noch eine Ladung intus oder im Ballon nur damit geblufft hatte.

Sein Schwiegersohn und dessen Frau holten ihn ab. Ich hörte noch, wie sie sagte: „Hast du nicht gesagt, die Dinger stürzen ständig ab?“
Er flüsterte: „Als nächstes nehmen wir diese U-Boot-Reisen auf der Barentssee. Auf die Russen ist Verlass ...“ Dann breitete er die Arme aus: „Na, Opa? Wie war die Fahrt? Schön?“

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Und wer die Rolle rückwärts machen möchte, ich denke, das soll diese Werbung erzielen, Nachdenklichkeit über einen solchen Ernstfall und ich muss sagen, das hat die Werbung schon bei mir bewirkt. Imodium Akut habe ich selber auch schon mal ausprobiert und ich muss sagen, diese Tabletten haben gut geholfen. Nun den Werbespot fand ich zwar trist, dennoch wird man Nachdenklich gemacht über den Ernstfall, denn das ist ja ein solcher wie ich meine, man stellt sich das ganze also noch mal vor und denkt dann sicherlich das Mittel sollte nicht in der Hausapotheke fehlen. Ich denke die Darsteller machen ihre Sache gut, aber nun recht Originell wirkt das ganze dann doch nicht auf mich, daher vergebe ich hier **** Sterne und auch eine Empfehlung für das Produkt was ich übrigens ganz gut finde bei Durchfall denn meiner Erfahrung nach bewirkt es auch was und man kann sich schnell helfen im Ernstfall. VFR750